Buchvorstellung des Monats

Hier stellen wir Bücher vor, die uns, oder einem Leser, besonders gefallen haben! (Foto: pixabay)
Standish, Ali: Baskerville Hall - Das geheimnisvolle Internat der besonderen Talente
Spannend und einfallsreich – so macht Lesen Spaß.
Arthur Doyle stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Der alkoholkranke Vater leidet an Depressionen und ist kaum in der Lage, die Familie zu ernähren. Deshalb beschließt Arthur, die Schule zu verlassen, um Geld zu verdienen. Bevor es dazu kommt, erreicht ihn eine geheimnisvolle Einladung in das Internat und die Schule von Baskerville Hall. Als er am nächsten Tag vom Direktor persönlich in einem Luftschiff abgeholt wird, wird ihm klar, dass er es mit einer alles andere als normalen Schule zu tun bekommt. Und Arthur wird nicht enttäuscht: Wölfe, die sich in Baskerville frei bewegen, schiefe Türme, ein Ritter, ein Dinosaurier-Ei und ein suspekter Geheimbund geben ihm bald genug Rätsel auf, die es zu lösen gilt. Dabei sind ihm seine ausgeprägte Beobachtungsgabe und sein messerscharfer Verstand von Nutzen. Gut, dass er hier bald Freunde findet – sein Zimmergenosse heißt übrigens James Moriarty.
Es gibt noch viele andere Anspielungen und Namen aus der Sherlock-Holmes-Welt. Aber man muss mit ihr nicht vertraut sein, um die Geschichte genießen zu können. Trotz einfacher Sprache sind die Charaktere gut durchgezeichnet, sodass man sie bald bildhaft vor sich sieht. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite, mit fantastischen Elementen und Humor bietet das Buch eine gelungene Unterhaltung für Kinder ab 10 Jahren. Da es sich bei »Baskerville Hall» um eine Reihe handelt, kann man sich schon jetzt auf Fortsetzungen freuen.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Anita Ruckerbauer
Czernin, Ferdinand: Dieses Salzburg!
Gabriele Liechtenstein (Hg.)
Auch selbstironisch lachend kann man vieles lernen: ein historischer Salzburgreiseführer der besonderen Art.
Mitte der 1930er-Jahre verfasste der dem altösterreichischen Adel entstammende und energisch gegen den heraufziehenden Nationalsozialismus auftretende Ferdinand Czernin vom Londoner Exil aus einen Reiseführer der ironisch-heiteren Art über ein Salzburg, das durch seine Kultur und sein Flair zunehmend betuchte Engländer und Amerikaner zu den Festspielen lockte. 1937 in London und 1938 in New York erschienen, brachte es das Buch bis 1951 auf vier Auflagen und trug nicht unwesentlich zum liebevoll-verklärten Salzburgbild im angelsächsischen Raum bei.
Ironisch charmant und wortgewandt nimmt das Buch sowohl Tourist*innen wie Einheimische ordentlich auf die Schaufel, spielt virtuos mit Klischees und transportiert augenzwinkernd sachliche Hinweise neben kühnen Vermutungen – immer sprachlich pointiert und unterhaltsam. Die Frage, was von den Erläuterungen zu glauben ist und was doch eher in das Reich der Mythen und Übertreibungen gehört, bleibt den Leser*innen überlassen und ist Teil des literarischen Spiels. Die Streifzüge durch Kunst, Kultur und Kitsch sowie Gesellschaft, Geschichte und Gastronomie haben aus heutiger Sicht einen nostalgischen Touch und können als Beleg für die Liebe des Autors zu seinem verlorenen Österreich gelten. Das Lesevergnügen des sehr empfehlenswerten Bandes verdankt sich wesentlich der von Gabriele Liechtenstein als Herausgeberin und Übersetzerin gewählten Form der Verschränkung von Erläuterung und Übersetzung.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Reinhard Ehgartner
Poznanski, Ursula: Scandor
Eine Geschichte über einen Lügendetektor, der alles hören kann.
Philipp ist in armen Verhältnissen aufgewachsen. Da trifft sich die Gelegenheit, fünf Millionen Euro zu gewinnen, gut. Wäre da nur nicht der Vertrag, der ihn zwingt, sich seiner größten Angst zu stellen, falls er verliert. Und wären da nur nicht die anderen 99 Teilnehmer*innen, die gezielt ihre Konkurrenten auszuschalten versuchen.
Der Wettkampf, in dem ein Lügendetektor getestet wird, ist ziemlich schwierig: Philipp ist deshalb konzentriert bei der Sache. Ein Entkommen gibt es nicht, denn Scandor hört immer und alles mit. Am Anfang scheint es hoffnungslos, doch Philipp hat bald die Hälfte geschafft. Als er eine weitere Teilnehmerin kennenlernt, wird es wild: Tessa und Philipp werden gute Freunde. Nur doof, dass sie beide scharf auf die fünf Millionen sind. Nun stellt sich die Frage: Wer gewinnt den Wettbewerb? Kommen Tessa und Philipp sogar ins Finale?
Tessa und Philipp treffen auf viele Menschen, die ebenfalls am Wettbewerb teilnehmen. Und die natürlich auch Hoffnung auf das Preisgeld haben. Ist ja ganz einfach, denn man muss nur für ein paar Tage die Wahrheit sagen und schon kassiert man den Gewinn. So rechneten es sich zumindest viele der Teilnehmer*innen aus. Hinter dem Wettbewerb, der erst wie ein harmloser Test eines Lügendetektors wirkt, steckt dann aber doch mehr. Philipp und Tessa treffen auf viele Hindernisse und Informationen. Werden die beiden das Geheimnis lüften?
Das Buch ist für 14-Jährige gut geeignet. Es ist fesselnd und sehr spannend geschrieben.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Julia Knoll, 12 Jahre
Steinberger, Kathrin: Der Rosengarten
Das bittere Schicksal einer 14-Jährigen, die als Vollwaise in den letzten beiden Jahren des Ersten Weltkriegs eine bösartige Frau betreuen muss.
Schon seit zwei Jahren herrscht Krieg, was auch die Zivilbevölkerung in Wien spürt, weil Lebensmittel und Heizmaterial immer schwieriger aufzutreiben sind. Rosa, deren Mutter vor zwei Jahren gestorben ist, lebt mit ihrem liebevollen Vater allein in einem Haus und bestreitet den Haushalt. Als der Vater kurz darauf bei einem Arbeitsunfall stirbt, ist die 14-Jährige Vollwaise. Sie findet zuerst Aufnahme in einem Heim, wird jedoch bald von der Fürsorge als Haushaltshilfe an eine pflegebedürftige Frau vermittelt. Frau Gruber, eine ehemalige Gastwirtin, ist geldgierig und bösartig, aber Rosa hat immerhin genug zu essen. Täglich muss sie die verschiedenen Geschäfte abklappern und in langen Schlangen anstehen, um Nahrungsmittel zu ergattern.
Rosa entdeckt das verlassene Gasthaus ihrer Kostgeberin, den »Rosengarten«. Heimlich richtet sie sich darin ein. Eines Tages findet sie dort Simon, einen desertierten, am Bein verletzten Soldaten. Sie pflegt seinen gefährlichen Wundbrand und versorgt ihn über Monate unbemerkt mit Essen und Kleidung. Daraus entwickelt sich eine vertrauensvolle Freundschaft.
Sowohl die einfache Sprache als auch die chronologische Erzählstruktur in kurzen Kapiteln entsprechen der berührenden, schmerzlichen Handlung. Neben den rücksichtslosen, egoistischen Figuren in dieser Geschichte gibt es auch hilfsbereite, mitfühlende Charaktere, sodass letztlich alles zu einem guten Ende findet. Eine leicht zu lesende, aber auch aufwühlende Lektüre.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Maria Schmuckermair
Lalami, Laila: Der verbotene Bericht
Roman auf der historischen Grundlage der Narváez-Expedition im 16. Jahrhundert.
Um seine Familie vor dem Verhungern zu retten, beschließt der junge Marokkaner Mustafa, sich auf dem Markt als Sklave zu verkaufen. So landet er bei Dorantes, der gemeinsam mit anderen Männern den Spanier Narváez bei der Eroberung Floridas unterstützen soll. Narváez und seine Männer sind auf der Suche nach Gold und anderen Schätzen und scheuen vor keiner Gewalt zurück. Obwohl sie materialtechnisch überlegen sind, sind sie letztlich den Indianern unterlegen. Die selbst zusammengebauten Floße taugen nichts, die Männer werden von Krankheiten, Hunger und Kriegshandlungen dahingerafft. Schließlich sind nur mehr vier Männer am Leben, darunter drei Herren und der Sklave Estebanico....
Lalami hat hier einen ausgezeichnet recherchierten historischen Roman vorgelegt, in dem sie Estebanico alle seine Erlebnisse als Bericht niederschreiben lässt. So erfahren wir einerseits von seinem früheren Leben und wie es dazu kam, dass er sich als Sklave anbot, und andererseits wird die tragische Eroberungsreise der Spanier mit all ihren Grausamkeiten geschildert. Durch diesen Kunstgriff ist es möglich, den Leser*innen nicht nur die spanische Seite, sondern auch die Sklaven-Sicht und die Perspektive der indigenen Bevölkerung zu vermitteln. Die Autorin weist explizit darauf hin, dass alle verwendeten Begriffe der damaligen Zeit entsprachen und daher z.B. »Indianer« nicht durch eine andere Bezeichnung ersetzt wurde.
Der Roman ist spannend geschrieben, die Folterungen und anderen Gräueltaten werden angesprochen, aber nicht bis ins unerträgliche Detail beschrieben. Fassungslos macht die Behandlung der Sklaven und die Überheblichkeit gegenüber den Ureinwohnern des Landes, über die die Eroberer einfach herfallen. Ein beeindruckender und nachdenklich stimmender Roman.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Ursula Pirker
Glattauer, Daniel: Die spürst du nicht
Zwei gut situierte Familien machen Urlaub, und die Tochter der Grünen Abgeordneten nimmt sogar eine Klassenkollegin mit. Eine aus Somalia Geflüchtete, der sie das Schwimmen beibringen möchte. Ob sie das auch möchte, ist nicht klar, da Aayana kaum spricht und kaum Deutsch kann. Die Absichten sind die besten, aber leider ertrinkt das Mädchen. Was folgt, ist ein Spießrutenlauf durch Gerichte und Medien. Die Flüchtlingsfamilie und die Gutmenschen werden gleichermaßen zu Opfern.
Man fragt sich, wer sich in der Gegenwart Glattauers noch zu reden traut. Jede Phrase wird abgespeichert mit dem dazugehörenden Verhalten. Erschreckend, wie viele Dialoge man kennt. Nicht vom Wortlaut, aber vom Verlauf her. Der Wortlaut ist natürlich besser, Glattauer ist ein Meister des verdichteten Dialogs. So hat man einmal Mitleid mit den Flüchtlingen, einmal mit der Tochter der Abgeordneten, einmal mit der Politikerin, alles ist zutiefst menschlich und steuert doch unaufhaltsam auf die Tragödie zu. Aber Glattauer wäre nicht Glattauer, wenn das Drama nicht immer wieder mit Humor aufgelockert wäre und wenn am Ende des Gewitters sich nicht doch die Sonne hervortrauen würde. Absolut aktuelle Problematik in perfekt zeitgemäßer Sprache dargeboten, das ist eindeutig empfehlenswert.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Michael Wildauer
Sutcliffe, William: Auf der richtigen Seite
Jugendbuch ab 14 Jahren
Inspiriert von dem Leben in den israelischen Siedlungen in der Westbank, erzählt der Roman die fiktive Geschichte von Joshua, der "die andere Seite" seiner bisherigen Welt entdeckt.
Joshua findet einen Tunnel auf die "Feindes"-Seite. Neugierde lässt ihn das verbotene Gebiet erkunden. Schritt für Schritt entdeckt er die Welt außerhalb seiner beschützten Stadt, Gewalt und Elend geraten in sein Blickfeld. Als er ein Mädchen und ihre Familie kennenlernt, entsteht ein dünnes Netz gegenseitiger Hilfe. Doch dieser unerwünschte Kontakt birgt Gefahren. Als Joshuas Stiefvater ihm nachspioniert, den Vater des Mädchens und Joshua selbst bedroht, flieht der Junge und wird angeschossen. Er überlebt und beschließt, seinen Weg auch im Rollstuhl zu verfolgen: zu helfen, wo er kann - auch wenn er immer wieder scheitern sollte.
Trotz aller lebensgefährlichen Situationen ist der Roman sehr ruhig. Der Protagonist taugt weder zum romantischen Liebhaber noch zum Actionheld. Joshua ist ein aufgewühlter, aber sehr nachdenklicher Junge. Fast poetisch und friedlich wird die Zeit beschrieben, in der er den Olivenhain der Familie aus dem Feindesland pflegt. Vorübergehend entsteht hier ein Ort der Hoffnung, der jedoch von Joshuas Stiefvater brutal zerstört wird.
Quelle: bn.bibliotheksnachrichten, Imke Voigtländer